Reputationswächter Aufsichtsrat

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Reputationswächter Aufsichtsrat

Warren Buffet soll einmal gesagt haben: „If you lose money for the firm I will be understanding. If you lose reputation I will be ruthless.” Und dem Gründer von Amazon, Jeff Bezos, wird der Satz zugeschrieben mit dem er treffend umschrieb, was Reputation ist: „What people say about you when you have left the room“. Dass die Reputation eines Unternehmens heute dessen Wert massiv beeinflusst, ist ebenfalls keine Überraschung mehr. Unternehmen, die einen guten Ruf haben, ziehen bessere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Sie werden als wertvoller wahrgenommen, was es ihnen oft erlaubt, höhere Preise zu verlangen. Ihre Kunden sind loyaler und kaufen eine breitere Palette von Produkten und Dienstleistungen. Da der Markt davon ausgeht, dass solche Unternehmen nachhaltige Erträge und künftiges Wachstum liefern werden, haben sie höhere Kurs-Gewinn-Multiplikatoren und Marktwerte sowie niedrigere Kapitalkosten.

Kompetenz im Aufsichtsrat

Nach dem deutschen Aktiengesetz liegt die operative Verantwortung für ein Unternehmen beim Vorstand. Er spricht für das Unternehmen. Der Vorstand ist das Gesicht des Unternehmens gegenüber allen Stakeholdern. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Der Aufsichtsrat wurde vom Gesetzgeber und von der international gelebten Governance schrittweise immer stärker in die Pflicht genommen. Er ist auch im Außenbild viel stärker als früher für das Ansehen des Unternehmens bei seinen Stakeholdern verantwortlich.

Wenn es im Kodex heißt, dass der Vorstand den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen, insbesondere der Strategie, der Planung, der Geschäftsentwicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance informiert, dann ist damit auch die Reputation gemeint. Die eigene Reputation zählt heute genauso zu den Risikofaktoren eines jeweiligen Unternehmens wie Lieferketten oder Arbeitsprozesse. Und wer informiert werden muss oder will, ist auch in der Pflicht – vor allem aus Sicht der Öffentlichkeit.

Entsprechend müssen Aufsichtsräte heute in der Lage sein, Reputationsrisiken zu erkennen. Das heißt ganz konkret, dass Aufsichtsräte in der Lage sein müssen, Kommunikationsrisiken und -chancen nicht nur zu beurteilen, sondern auch aktiv damit umzugehen.

Beispiele von Unternehmen, die in diese Reputationsfalle geraten sind, gibt es viele. Eine wichtige Ursache für das Reputationsrisiko ist die schlechte Koordinierung der Entscheidungen, die von verschiedenen Geschäftsbereichen und Funktionen getroffen werden. Wenn eine Gruppe Erwartungen weckt, die eine andere Gruppe nicht erfüllen kann, kann der Ruf des Unternehmens darunter leiden. Ein klassisches Beispiel ist die Marketingabteilung eines Softwareunternehmens, die eine große Werbekampagne für ein neues Produkt startet, bevor die Entwickler alle Fehler identifiziert und beseitigt haben: Das Unternehmen muss sich dann entscheiden, ob es ein fehlerhaftes Produkt verkauft oder es später als versprochen auf den Markt bringt. Beides ist schlecht für die Reputation. Da braucht es Entscheidungen, wie diese – auch durch geeignete Kommunikation – optimal geschützt werden kann.

Es muss nicht mal ein schlechtes Produkt sein. Bei „Pret à manger“, der Sandwich-Kette mit 450 Läden auf 9 Kontinenten genügte eine fehlende Produkt-Deklaration, die auf das Vorhandensein von Sesam hingewiesen hätte, wozu es keine gesetzlichen Verpflichtungen gab. Im Herbst 2018 starb ein 15-jähriges Mädchen an einer extremen allergischen Reaktion, die in direktem Zusammenhang mit der Marke stand. Warum hatte niemand zuvor die richtigen Fragen gestellt? Oder manchmal genügt einfach ein fehlendes Bewusstsein im Management, was eine Krise ist. Greenpeace hat 2010 eine Kampagne gegen das Nestlé Produkt KitKat gefahren wegen der Verwendung von Palmöl. Auf der Facebook-Seite des Unternehmens wurde massiv zum Boykott gegen Nestlé aufgerufen, was das Unternehmen veranlasste, die meisten Kommentare zu löschen und Löschung anzudrohen, wenn gewisse Inhalte gepostet würden. Nestlé hatte damit eine breite Kluft zu ihren Kunden geschaffen, die ausreichte, um in dieser Angelegenheit kläglich zu verlieren.

Zum Glück gibt es immer wieder positive Beispiele, wie es einem Unternehmen gelingt, durch schnelle, richtige Schritte eine Reputationskrise abzuwenden. Beispiel dafür ist Adidas nach einer E-Mail, die das Unternehmen an die Teilnehmer des Boston-Marathons 2017 geschickt hatte mit dem Text: „Glückwunsch, Sie haben den Boston-Marathon überlebt!“… Dies nachdem an dieser Veranstaltung vier Jahre zuvor ein Terroranschlag verübt wurde, der mehreren Menschen das Leben kostete. Das Unternehmen hat sich sofort öffentlich für den Vorfall entschuldigt und den Vorfall als Fehler des E-Mail-Marketing-Teams erklärt. Damit konnte ein Social-Media-Skandal vermieden werden, der dem Unternehmen eine Menge Geld hätte kosten können. Der Ruf eines Unternehmens ist auch dann gefährdet, wenn sich die Medien nur auf einige wenige Themen konzentrieren, wie z.B. auf die Gewinne und die Persönlichkeit des Vorstandsvorsitzenden. Selbst wenn die Berichterstattung über diese Themen extrem positiv ist, wird ein negatives Ereignis außerhalb dieser Bereiche viel größere negative Auswirkungen haben, als wenn das Unternehmen eine breitere positive Berichterstattung genossen hätte.

Bewertung einer Unternehmensreputation

Unternehmen sollten sich immer wieder hinterfragen, ob sie in der Lage sind, die Leistungserwartungen der Stakeholder zu erfüllen. Die Beurteilung des wahren Charakters des Unternehmens ist oft nicht einfach: Unternehmensleitungen neigen von Natur aus dazu, die Fähigkeiten ihres Unternehmens und ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.

Wenn die Realitäten eines Unternehmens besser sind als dessen Ruf, muss die Differenz durch glaubwürdige Investor Relations- und Unternehmenskommunikation ausgeglichen werden. Wenn der Ruf allerdings ungerechtfertigt positiv ist, muss das Unternehmen entweder seine Fähigkeiten, sein Verhalten und seine Leistung verbessern oder die Wahrnehmung der Stakeholder mäßigen („management of expectations“).

Da Reputation sich in unterschiedlichen Wahrnehmungen manifestiert, muss die Wahrnehmung gemessen werden. Die Bewertung des Rufs muss in mehreren Bereichen erfolgen, die kontextbezogen, objektiv und, wenn möglich, quantitativ sind. Drei Fragen müssen geklärt werden: Welchen Ruf genießt das Unternehmen in Hinsicht auf verschiedene Dimensionen wie Produktqualität, finanzielle Leistung usw.? Mit welchen Themen wird seine Reputation in Verbindung gebracht? Wie schneidet die Reputation im Vergleich zu anderen Unternehmen ab?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Bewertung einer Unternehmensreputation. Dazu gehören Medienanalysen, Umfragen unter Stakeholdern (Kunden, Mitarbeitern, Investoren, NGOs) und Führungskräften, Fokusgruppen und Meinungsumfragen.

Inhabern und Aktionären von Unternehmen wird immer bewusster, dass auch im Aufsichtsrat die entsprechenden Kompetenzen vorhanden sein müssen. Doch erst wenige Unternehmen nehmen heute diese Risiken ernst. In den meisten großen Unternehmen verfügen nur wenige Aufsichtsräte über ausgewiesene Kompetenz in Reputationsfragen. Die Reputation hat einen Einfluss auf den künftigen Erfolg und damit auf den Unternehmenswert. Der Wert eines Unternehmens hängt also stark davon ab, wie man mit Reputationsrisiken umgeht. Aber hinter dem sympathischen Auftritt und der guten Reputation steckt mehr als eine teure Imagekampagne oder ein geschicktes Branding.

Fazit

Das Management von Reputationsrisiken ist kein außerordentlich kostspieliges Unterfangen, dessen Umsetzung Jahre in Anspruch nimmt. Die größte Herausforderung ist die Erkenntnis, dass das Reputationsrisiko eine eigene Risikokategorie ist und daher die Verantwortung nicht einfach delegiert werden kann an eine Person bzw. an „das Management“.

Es braucht eine Rundumsicht und eine strategische Betrachtungsweise, die in der Lage ist, alle Teile des Unternehmens zu identifizieren, deren Aktivitäten den Ruf des Unternehmens insgesamt beeinträchtigen oder gefährden können. Und wer ist besser dazu in der Lage als der Aufsichtsrat. Er kann sich eine unabhängigere Sicht bewahren und „Blind Spots“ im Unternehmen erkennen helfen. Er kann sich dazu das nötige Knowhow extern beschaffen und das sei ihm auch geraten. Denn wenn sowohl die Unternehmensleitung wie der Aufsichtsrat sich einfach auf die gleichen Quellen und den gleichen Support abstützen, dann kann keine Zweitmeinung von außen in schwierigen Situationen den Blickwinkel verändern helfen. Dazu braucht es keine Heerscharen von Beratern, sondern kluge Verstärker des gesunden Menschenverstands. Schon Aristoteles sprach hier von Wohlberatenheit. Wohlberatenheit sei weder Wissenschaft noch Meinung und sie sei auch keine Frage des richtigen Zeitpunktes – aber sehr wohl die Erkenntnis, dass man sich die Zeit zum Beraten „gönne“. Wohlberatenheit sei somit die bewusste, aktive Auseinandersetzung mit und die Hinterfragung von Dingen, für die andere offenbar zu wenig Zeit haben.

Und um auf Warren Buffett zurückzukommen:

„It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it.“

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