Ehrlichkeit und Authentizität anstatt Inszenierung

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Ehrlichkeit und Authentizität anstatt Inszenierung

Peter Dietlmaier, Founding Partner CCounselors; Michael Schoenenberger, Partner CCounselors und Partner sowie Mitinhaber Hirzel.Neef.Schmid. Konsulenten.

Innerhalb weniger Monate baute der CEO einer hundertprozentigen Tochter eines DAX-Unternehmens eine enorme Risikoposition auf, die dem Unternehmen und der Mutter nach nicht allzu langer Zeit auf die Füße fallen sollte. Aufsichtsratsvorsitzender war ein Vorstandsmitglied der Mutter. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Mutterunternehmens und sein CEO hatten das richtige Gefühl. Noch bevor die Krise ausbrechen konnte, merkten sie, dass bei der Tochter etwas schieflief. Sowohl der CEO der Tochter wie auch deren Aufsichtsratsvorsitzender haben die Unternehmen verlassen, bevor der Schaden noch grösser wurde. Ganz abwenden ließ sich die Krise letztlich nicht. Dafür war es schon zu spät. Aber zu dem Zeitpunkt des Ausscheidens der beiden Herren war dies alles noch nicht bekannt. Entsprechend freundlich war die Abschiedskommunikation. Es wurde gedankt und die Leistungen beider Herren gelobt. Ein Abschied in allen Ehren. Zum Nachteil letztendlich derjenigen, die gehandelt hatten und noch größeren Schaden abwendeten. Denn als das Problem beim nächsten Abschluss publik wurde, war man Gefangener seiner eigenen Storyline. Der Schuldige war man nun selber. Noch Jahre später hing die Geschichte dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem CEO der Muttergesellschaft am Revers.

I. Ein anderer Fall

Der Aktienkurs sprach eine deutliche Sprache. Die Wende, für die der neue CEO berufen wurde, stellte sich nicht ein. Anstatt die Kosten zu senken und den Gewinn zu erhöhen, entwickelte sich alles umgekehrt proportional. Der Wechsel an der Spitze wurde vollzogen. Anstelle einer differenzierten Würdigung wurde dem scheidenden CEO formelhaft für den Einsatz und sein positives Wirken gedankt. Eine vertane Chance, die sich rächen sollte. So wurde die Zeit des letztlich glücklosen CEO komplett von der Öffentlichkeit als vertane Zeit abgeschrieben und dem Aufsichtsrat angelastet, wenngleich viel Wichtiges geschehen war: Durch die klare und deutliche Analyse wurde das Haus nach jahrzehntelanger Selbstgefälligkeit mit tausend Ausreden aufgeweckt. Der Erkenntnisgewinn war die Basis für den Wiederaufstieg. Da darüber nicht geredet wurde, wirkte die undifferenzierte positive Abschiedskommunikation unglaubwürdig Spätere Erklärungen halfen auch nicht mehr, weder dem ehemaligen CEO noch dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden.

Der Aufsichtsratsvorsitzende würde es heute anders machen. Anstatt alle Schwierigkeiten zu übertünchen und ein Bild der kompletten Harmonie zu erzeugen, das mit der Realität nur wenig gemein hatte, würde er deutlich machen, warum gehandelt werden musste. Dabei spielt bei dem Erkenntnisgewinn weniger die persönliche Eitelkeit eine Rolle, sondern viel mehr die im Nachhinein verlorene Glaubwürdigkeit, die es dem Unternehmen viel schwieriger machte, aus der Krise herauszukommen.

II. Kommunikation vom Ende her denken

Ehrlichkeit und Authentizität sind umso wichtiger, wenn das alte Wording vom „Beiderseitigen Einvernehmen“ heute sowieso als Kündigung interpretiert wird. Die alten Sprachregelungen funktionieren nicht mehr. Es wird heute nicht mehr dezent weggeschaut, sondern vielmehr nach Schwächen Ausschau gehalten. Das gilt für die Beobachter in den Unternehmen wie auch extern. Hinzu kommt, dass der Flurfunk in Zeiten von Social Media und Whistleblower-Portalen mit ein paar Klicks in Sekunden die Welt – oder zumindest einen interessierten Journalisten – erreicht. Im Zweifel ist Wahrheit vom Flurfunk interessanter als der Spin des Unternehmens.

Kommunikation, die vom Ende her gedacht wird, bleibt daher bei dem, was wirklich geschehen ist, erklärt und ordnet ein. Wenn es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie das Unternehmen geführt werden oder sich weiterentwickeln soll, kann dies ohne Verletzungen der betroffenen Personen wertschätzend und offen angesprochen werden. Im Zweifel hat das Umfeld ohnehin bereits mitbekommen, dass es irgendwo knirscht. Nichts ist für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und seiner Führungskräfte schlimmer, als von der Wirklichkeit eingeholt zu werden. Dann helfen auch alle Erklärungen und Erläuterungen darüber, wie es in Wahrheit war, nicht mehr. Wer einmal „flunkert“, dem glaubt man nicht. Meist dauert es lange, bis eine gute Reputation des Unternehmens wieder hergestellt ist. Und für die „Flunkerer“ selber ist das Spiel meist aus.

III. Irren ist menschlich

Zur Glaubwürdigkeit einer Kommunikation trägt auch die Strategie nicht bei, in der schriftlichen Kommunikation intern und extern das eine zu sagen und im Hintergrund durch die Sprecher und externen Berater das andere durchstechen zu lassen. Am Ende erreichen den Adressaten beide Kommunikationsenden. Was soll man von einem Unternehmen halten, das derart kommuniziert? Was bedeutet dies für künftige Kommunikations-Aktivitäten? Das schließt nicht aus, dass im Hintergrund Zusatzinformationen zur Einordnung gegeben werden können und sollen, wenn dies richtig und notwendig ist. Nur sollten diese auf ein und dieselbe Story einzahlen, wenn bei dem Empfänger keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit zurückbleiben sollen.

Wo Menschen arbeiten, machen sie Fehler. In einer Welt, die immer stärker wertegetrieben ist oder anders ausgedrückt: immer moralisierender wird, haben es diejenigen einfacher, die mit Fehlentwicklungen offen umumgehen, zeigen, dass sie daraus gelernt haben, es künftig besser machen wollen. Wenn dies so ist, stellt sich die Frage, weshalb ein Unternehmen warten soll, bis Dritte einen mit einer Storyline konfrontieren, gegen die dann im Zweifel argumentiert werden muss. Anstatt sich in die Defensive drängen zu lassen, sollten Unternehmen vom Ende her denken und mit Ehrlichkeit und Authentizität die Offensive suchen. Warum warten, bis jemand den Medien steckt, dass es ein Enforcementverfahren der Aufsicht gibt, anstatt selber zu erklären, was der Hintergrund dafür ist? Ehrlichkeit und Authentizität erhöhen die Chance, dass Argumente gehört und verstanden werden.

IV. „I sog wia es ist“

Es gibt sie immer noch. Unternehmen, die sich gesundrechnen. Mit adjustierten Zahlen, bereinigt um Einzeleffekte, beweisen sie, dass das darunterliegende Kerngeschäft bestens läuft. Selbst wenn es seit Jahren in der Spalte ‚Jahresüberschuss nach Steuern‘ nur rote Zahlen gibt. Wiederum andere, beispielsweise nicht börsennotierte deutsche Mittelständler, setzen darauf, dass zwischen der Medienmitteilung zum Jahresabschluss und der Veröffentlichung der Bilanz so viel Zeit vergeht, dass man diese überhaupt nicht mehr anschaut. Die Praxis zeigt, dass dies eine Zeit lang gut gehen kann. Am Ende setzt sich aber die Wirklichkeit durch – zulasten der Glaubwürdigkeit.

Nicht selten lässt sich sogar das Phänomen beobachten, dass direkt Involvierte selber an ihre eigenen adjustierten Storylines glauben und den Blick auf die Realität verloren haben – wie ein Kettenraucher, der glaubt, dass er reines Genussrauchen betreibe und jeden Tag damit aufhören könnte. Ein Aufsichtsratsvorsitzender hatte einmal die Hybris im Unternehmen als die größte Hürde eines Wandels zum Besseren ausgemacht. Erst als man sich die wirkliche Lage eingestand, offen darüber redete, stand der Weg zur Reform offen. „I sog wia es ist“ war daher die Devise eines CFOs in einer der schwierigsten Situationen seines Unternehmens. Es hat nicht nur ihm und dem Unternehmen Respekt und Glaubwürdigkeit eingebracht, sondern auch dazu beigetragen, dass die Probleme tatsächlich intern angegangen wurden.

V. Fazit

Nur 39 Prozent der von Edelman in Deutschland befragten Personen vertrauten Ende 2022 noch den CEOs. Acht Prozentpunkte weniger im Vergleich zu Journalisten und 24 Prozentpunkte weniger als dem eigenen Nachbarn. Wenngleich sich die Zahlen in den vergangenen Jahren etwas verbesserten, so machen sie doch das Dilemma deutlich. Wenn die Glaubwürdigkeit bereits derart infrage gestellt wird, ist es umso wichtiger, glaubwürdig zu kommunizieren. Am glaubwürdigsten ist die Kommunikation, die nicht inszeniert, sondern nachvollziehbar ist. Eine Kommunikation, die aktiv ist, die gute wie auch weniger gute Nachrichten erläutert. Die in sich schlüssig ist, vom Ende her gedacht wird, die langfristig ist und nicht nur kurzfristig für Entlastung sorgt. Die Praxis und unsere langjährige Erfahrung zeigen, dass es letztlich eine Kulturfrage ist. Aufsichtsräte und Geschäftsleitungen haben erstens die Kommunikation als zentrale Führungsaufgabe zu verstehen und zweitens muss die Kommunikation strategisch angegangen werden. Kurzum: Kommunikation und strategische Kommunikation sind Chefsache. So wird langfristig und nachhaltig eine hohe Reputation für Persönlichkeiten und ihr Unternehmen geschaffen. Und gleichzeitig sorgt diese Herangehensweise für mehr Resilienz, sollte es einmal zu einer Krise kommen.

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